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Franzis zweiter „weltwärts“-Bericht – nach sechs Monaten in Tansania

 

vom 31. Januar 2012 

 

Das Daladala (Kleinbus) kommt angerollt und Menschen drängeln sich zur Tür. Eigentlich ist es schon überfüllt, aber selbst, wenn wir es vorbeifahren ließen, alle anderen Busse in diese Richtung sind genauso voll. Also Gitarre durch das vordere Fenster hineingeschoben, die Leute die vorne sitzen, stehen und sich stapeln, halten sie schon fest. Sich schnell Richtung Tür durchquetschen, reindrücken lassen; festhalten braucht man sich nicht, umfallen kann sowieso keiner. Das ist Alltag im Dar es Salaamer Straßenverkehr! Aber die Menschen helfen sich, jeder will ankommen. Die Kinder sitzen auf den Schößen von Fremden, wie auch Taschen und Gitarren gibt man anderen Passagieren und Berührungsängste hat hier niemand.

Mein Arbeitskollege und ich sind auf dem Weg nach Kigamboni um seinem Bruder (der nicht sein Verwandter, sondern ein Freund ist) zu besuchen und ihm die Gitarre zurück zu bringen. Nur um jemanden für zwei Stunden zu besuchen begibt man sich hier auf lange Reisen. Wobei die Entfernung oft nicht so weit ist, sitzt man doch Stunden im Bus. Aber man gewöhnt sich daran und langweilig wird einem auch nicht, selbst wenn man alleine unterwegs ist, da man immer jemanden findet, mit dem man sich nett unterhalten kann. Ich hatte in letzter Zeit öfters sehr interessante Gespräche im Bus.

Es passiert unglaublich viel – jeden Tag etwas Neues! Ich kann gar nicht alles erzählen, aber ich versuche mal einen Überblick zu geben.

In den letzten sechs Monaten habe ich mich sehr gut hier eingelebt. Die Zeit ist so schnell vergangen, dass es sich nicht wie ein halbes Jahr anfühlt, wohl weil es mir hier unglaublich gut geht. Ich habe jede Menge zu tun, viel Arbeit, viele Projekte, manchmal auch etwas zu viel aber es macht mir Spaß! Und langsam habe ich auch wirkliche Freunde gefunden, die nicht nur mich ihre Freundin nennen, sondern auch ich als meine Freunde bezeichne!

Zu tun gibt er mehr als genug! Bei mir im Projekt, dem TSE (Talent Search and Empowerment) kommt zurzeit jeder mit einer Idee für ein neues Projekt zu mir und will meine Meinung hören und Ratschläge und meine Unterstützung haben. Es kommen mir nicht alle Projekte sinnvoll vor und einige – das sieht man ihnen an – sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Im März soll ein riesiges Kinderfestival stattfinden was sich für mich aber sehr utopisch anhört, die Planung ist noch nicht sehr weit fortgeschritten. Die Idee hat ein früherer TSE-Lehrer in die Welt gesetzt. Er strängt sich jetzt mächtig an, macht Pläne – allerdings nur auf den Papier – scheucht alle Leute durch die Gegend aber irgendwie scheint niemand so wirklich überzeugt zu sein von seinem Projekt. Von mir wollte er, dass ich „Event-Manager“ bin, was ich dankend abgelehnt habe, er aber erst mal nicht verstehen konnte. Er meinte, alles was ich wissen müsste, würde er mir beibringen und außerdem würde es sich sehr gut in meinem Lebenslauf machen; Es wäre so eine große Chance für mich, die ich doch auch nutzen sollte. Er wollte mich ernsthaft dazu überreden! Zum Glück konnte ich mich da rausreden und bin jetzt nicht sein Manager.

Eine andere Idee ist eine Fernsehserie, in der die TSE-Kinder spielen sollen, die über ein Jahr jede Woche in einem tansanischen Fernsehsender gezeigt werden soll. Dieses Projekt wir zurzeit fleißig vorbereitet, es wird die Handlung erfunden, aufgeschrieben, auswendig gelernt und erste Szenen gespielt, obwohl in den Sternen steht, ob dieses Projekt auch wirklich Geld zur Unterstützung bekommt. Es ist nicht mal genug Geld im Office um das Skript zu kopieren, damit jeder eine Kopie bekommen kann.

Zusätzlich habe auch ich kleinere Projekte, wie Malunterricht für die TSE-Schüler, Turnen und Slakline und mein Schmuck-Projekt, welches langsam anläuft. Das Erste, das ich im TSE angefangen habe, war etwas Garn zu kaufen und mit den Kindern Armbänder zu flechten. Mittlerweile können das die meisten von ihnen ziemlich gut, stellen auch echt schöne Dinge her. Wir mischen mit Perlen und verschiedenen Techniken, die ich zum größten Teil auch erst hier gelernt, bzw. „erfunden“ habe. Ziel ist auch andern Schmuck außer Armbändern herzustellen und diesen dann zu verkaufen. Ganz vorsichtig haben wir auch schon angefangen die ersten Stücke zu verkaufen, was natürlich jedes Mal ein Erfolgserlebnis ist. Was wir mit dem Geld machen, wissen wir noch nicht, wobei ich das die Kinder entscheiden lassen möchte. Leider verschwinden auf rätselhafte Weise immer die schönsten Stücke sodass das Geschäft nicht ganz so gut laufen will…

Ansonsten bin ich im TSE viel beschäftigt. Vorgestern habe ich mich beschwert, dass ich die ganze Zeit meinen Namen höre. Alle rufen: „Franzi, njoo mara moja!“ (Also „komm mal her!“) und scheuchen mich somit durch die Gegend. Meine Kollegin meinte ich sei eben mittlerweile wichtig geworden. Ich weiß gar nicht, wie jeder Tag so vergeht, aber ich bin von Morgens bis abends gefordert. Ich mag meine Arbeit, auch wenn sie mich etwas anstrengt, vor allem weil es auch sonst noch so viele schöne Dinge gibt, die ich gerne machen möchte, wie zum Beispiel ein bisschen in Dar es Salaam rumkommen, Leute und Vorführungen besuchen und mich mit Freunden treffen.

Ein sehr schönes Gefühl ist es Freunde zu finden und sie richtig kennenzulernen, nicht nur oberflächlich. Ich verbringe auch nach der Arbeit viel Zeit mit meinen Kollegen, wir besuchen uns, kochen zusammen und reden vor allem viel. Wir lachen zusammen und machen Witze und Blödsinn. Kiswahili ist kein großes Problem mehr, wenn ich mich konzentriere und mein Gegenüber sich etwas anstrengt, verstehen wir uns sehr gut. (Wenn ich allerdings versuche die Zeitung zu lesen, einem Gespräch oder den Fernseh- oder Radionachrichten zuhöre, verstehe ich zwar viele Wörter, den Zusammenhang aber nicht.)

An einem Abend (bzw. in einer Nacht) haben wir zu viert bei meiner Kollegin gekocht und uns Gruselgeschichten erzählt bis sie irgendwann meinte sie hätte jetzt Angst und er solle doch aufhören mit seinen Geschichten. In seinen Geschichten ging es um Hexen und ein Halb-Mensch-Halb-Löwe-Wesen und andere seltsame Figuren. Irgendwann ist mir klar geworden, dass er es ernst meint und wirklich glaubt, dass es Hexen gibt. Wenn man eine bestimmte Mischung Blätter in der Hand tragen würde, würde man sie auch sehen, sie seien dann nackt und würden einen ansprechen. Er meinte er hätte es am Anfang auch nicht geglaubt, dann aber ausprobiert und es hätte geklappt! Als ich meinte, ich würde das nicht glauben, waren sie doch sehr entgeistert und ich wurde ernsthaft gefragt, ob es in Deutschland keine Hexen gäbe. Ich wundere mich doch sehr darüber. Mit Sicherheit werde ich eines Tages mit diesen Blättern durch die Straßen laufen und schauen, ob ich eine Hexe sehe.

Kürzlich saß ich einige Stunden im Computerraum – ohne Strom – zusammen mit den Computerschülerinnen und habe mich mit ihnen über Deutschland unterhalten. Ich wurde Sachen gefragt, wie ob denn alle Leute in Deutschland reich wären, oder warum alle Häuser hätten, ob auch Schülerinnen geholfen wird, die schwanger werden (In Tansania werden sie aus der Schule gejagt und oftmals auch zuhause rausgeworfen.), warum kein Müll auf der Straße läge, ob es Motorradtaxis gäbe, warum alle Straßen geteert sind und ob die Leute glücklicher wären, schließlich ist ja alles viel sauberer etc.. Wir waren beiderseits recht erstaunt. Ich habe mich doch sehr über ihr Bild von Deutschland gewundert; Sie wollten mir nicht glauben, dass es Busfahrpläne gibt, an die sich die Busfahrer halten können. „Warum gibt es denn keinen Stau?“, war die Frage. Oder dass man, wenn man in eine Bar geht, selten auf Plastikstühlen sitzt oder von Plastiktellern isst und auch Trinkwasser oft in Glasflaschen verkauft wird und man das Leitungswasser trinken kann. Dass ich bisher nur drei ganz kurze Stromausfälle in Deutschland erlebt habe, wollten sie mir nicht glauben.

An einem anderen Tag kam eine ältere Frau ins TSE, die mich zum christlichen Glauben bekehren wollte. Sie meinte, sie wäre gekommen um mit mir darüber zu reden, was nach dem Tod passiert. Als ich meinte, ich würde nicht an Gott glauben, fragte sie mich, wo denn die Menschen, die Ameisen und die ganze Welt herkommen würden. Als ich sagte, ich glaube Darwin hätte Recht, meinte sie, der hätte schon so viele Leute belogen. „Die Menschen seinen also mal Affen gewesen aber warum verändern sie sich jetzt nicht mehr?“, fragte sie mich. Als ich meinte, sie würden sich eben nur ganz langsam verändern, gab sie erst mal auf und beschloss mir ein Buch zu bringen, das ich gefälligst lesen solle. Ich habe es noch nicht bekommen aber sie scheint es ernst zu meinen; ich schätze sie kommt noch mal vorbei.

So jetzt habe ich noch etwas ganz anderes zu erzählen.

In den letzten drei Monaten hatte ich Ferien und bin zusammen mit David, meinem Mitfreiwilligen nach Namibia gereist und plötzlich in einer total anderen Welt gelandet. Wenn man Dar es Salaam für eine afrikanische Stadt hält, dann ist Windhoek nicht mehr Afrika. Es ist alles geordnet, geplant und sauber und viele Leute sprechen Deutsch. Wir konnten mal ein bisschen Abstand von unserem tansanischen Alltag gewinnen und viel Neues sehen, auch wenn wir die meiste Zeit der Reise aus Bus-, Bahn- oder Autofenstern geschaut haben. Von Dar es Salaam am Indischen Ozean bis nach Swakopmund am Atlantik ist es echt verdammt weit!

Zu Weihnachten waren wir wieder zuhause und am Tag nach meinem Geburtstag bin ich mit meinem Arbeitskollegen nach Mtwara, seinem Heimatsdorf, gefahren und habe seine ganze Familie kennengelernt. Auch das war eine interessante Reise, mit vielen spannenden und lustigen Ereignissen auch er hat sehr gestaunt, wie sich sein Heimatsort in den letzten sechs Jahren verändert hat.

Silvester und Neujahr waren wir wieder zuhause; Feuerwerk allerdings haben wir selbst vom Dach aus kaum gesehen. Man sollte Mwaka Mpya (Neujahr) nicht in den Uswalini (Armenviertel) feiern, wurde uns hinterher mitgeteilt. Am zweiten Januar ging es dann nach Sansibar zum Zwischenseminar. Wir haben viele (erstaunlich nette) Freiwillige aus Tansania getroffen und konnten uns mit ihnen über unsere Erfahrungen austauschen, die vergangene Zeit reflektieren, über verschiedene Themen diskutieren und noch einiges lernen. Wir waren auf jeden Fall produktiv und hatten eine schöne Zeit.

Wobei ich jetzt doch froh bin, wieder im TSE zu sein, wo ich mich mittlerweile wirklich zuhause fühle. Auch wenn mich nach dem Urlaub alle damit genervt haben, dass sie ein Geschenk wollen. Schließlich wäre ich in Namibia, Sambia, Mtwara und auf Sansibar gewesen und Weihnachten sei jetzt auch gewesen (Wobei man sich hier an Weihnachten nicht großartig beschenkt.), da müsste ich ihnen doch ein Geschenk bringen können! Manchmal halte ich die Leute echt für ziemlich frech, aber wenn man nicht fragt kommt man auch zu nichts, so läuft das hier!

So ich hoffe das war jetzt genug Überblick, ich könnte noch Seitenweise weiterschreiben, es gibt genug zu erzählen aber ich belasse es mal dabei.

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